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Partizipative Projekte aus dem Bereich der Japanologie

17. Januar 2023 von Christian Wielander

Skispringen im Wandel – Von Kasai bis Kobayashi

Zwei japanische Ikonen des Skisprungsports stehen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Kasai Noriaki und Kobayashi Ryōyū! Wahre Meister ihres Sportes! Würde man 34 Jahre in die Vergangenheit reisen, so könnte man Kasai bereits beim Skispringen bewundern. Eine Zeit, in der noch ziemlich anders gesprungen wurde. Bis zum heutigen Tage trainiert der Publikumsliebling, unter anderem mit Kobayashi, welcher sich vor allem durch seine sportlichen Erfolge auszeichnet. Mit Athleten wie Kobayashi steht dem japanischen Skisprungsport eine erfolgreiche Ära bevor.

Der Fokus meiner Forschung lag darin, Artikel unterschiedlicher Nachrichtenplattformen zu analysieren. Dabei konnte ich Kasais große Beliebtheit nachweisen. Bei der Auswertung zeigte sich ebenfalls, dass in den letzten Jahren Kobayashi in den Mittelpunkt des Sportes sowie der Medien gerückt ist.

Größte Errungenschaften

Kasai Noriaki und Kobayashi Ryōyū, zwei der erfolgreichsten japanischen Skispringer. Einer bekannt dafür, scheinbar nie mit dem Skispringen aufhören zu wollen. Der Andere ist der leistungsstärkste Überflieger der letzten Jahre. Es gibt aber viele Sportler*innen, die den einen oder anderen Wettbewerb gewinnen. Also was zeichnet gerade diese beiden aus? Was waren (bisher) ihre größten sportlichen Errungenschaften?

Einer von Kasais herausragendsten Erfolge hat er sich über Jahrzehnte aktiven Skispringens erarbeitet. Beim Wettbewerb in Planica am 17.03.2016 absolvierte er seinen 500. Sprung im Weltcup. Niemand kann ihm bei dieser Anzahl an Antritten auch nur annähernd das Wasser reichen.

Kasai hat zu seinem 500. Sprung die Startnummer 500, trägt ein Trikot mit der 500 und bekommt eine kleinere Version davon für seine Tochter. ©Eurosport

Kobayashi konnte in den letzten Jahren außergewöhnlich viele Siege erringen, eine durchaus nennenswerte Leistung. Bei der Vierschanzentournee 2018/19 hat er es sogar geschafft, alle vier Wettbewerbe der Tournee zu gewinnen. Damit hat er sich den Grand Slam des Skisprungsports geholt. Eine Leistung, die in der gesamten Geschichte des Skispringens bisher nur zwei anderen Sportlern, Sven Hannawald und Kamil Stoch, gelungen ist.

Nach dem Sprung des deutschen Markus Eisenbichler auf den 5. Platz, ist Kobayashi der Tagessieg sowie der Grand Slam gewiss.

Kasais Skisprung-Ära

Als Kasai Ende der 80er Jahre im Weltcup anfing, wurde eine heutzutage als selbstverständlich angesehene Sprungtechnik, noch nicht von jedem Springer eingesetzt. Im Gegensatz zum ursprünglichen Parallel-Stil, bei dem mit parallel zueinander ausgerichteten Skiern geflogen wird, kam zu dieser Zeit der V-Stil auf. Nehmen die Skier während des Fluges die Form eines Vs an, so erhöht sich der Auftrieb und man springt weiter. Die Konstruktion neuer Schanzen änderte sich über die Jahre ebenfalls. Vor allem die Längen des Anlaufs und Hanges wurden erhöht, wodurch die Weiten beim Springen und vor allem Fliegen immer größer wurden.

Sprungschanze in Rodewisch (Deutschland), erbaut 1980. ©Artur Bała

Die Sprunganzüge wurden hingegen enger. Heutzutage wird streng kontrolliert, dass alle Anzüge hauteng anliegen. Bei Regelverstoß kommt es zur Disqualifizierung aus dem gerade stattfindenden Wettbewerb. Anzüge aus Kasais Anfangszeiten waren noch sichtbar weiter und lockerer.

Links Kasai bei den nordischen Skiweltmeisterschaften 1993 mit parallelen Skiern und voluminöseren Anzug.
Rechts Kasai bei den olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang mit moderner Technik und Ausrüstung. ©アフロ

Doch nicht nur Ausrüstungen und Veranstaltungsorte wurden geändert und erweitert. 2011 wurde erstmals ein offizieller Weltcup für Frauen ausgetragen. Dass auch Frauen erfolgreich springen können, zeigt die Japanerin Takanashi Sara. Sie hat mit Abstand die meisten Einzelwettbewerbe (momentan 63) im gesamten Skisprungsport gewonnen. Im Vergleich dazu: der ebenfalls sehr erfolgreiche und bekannte österreichische Skispringer Gregor Schlierenzauer kommt auf 53 Siege.

Um Kasais lange und erfolgreiche Karriere nochmal zu verdeutlichen, hilft sicher folgendes Beispiel. Am ersten Platz der japanischen Mannschaft bei den Winterspielen 1998 in Nagano war Kasai nicht beteiligt. Dafür gewann er 1994 in Norwegen sowie exakt 20 Jahre später in Russland, olympisches Silber beim Teamspringen. 2014 wurde er auch beim olympischen Einzelspringen zweiter. Seine Karriere stellt eindrucksvoll eine Brücke zwischen dem damaligem und heutigem Skispringen dar.

Sieht man sich Kasais sportliche Leistungen über seine Karriere hinweg an, so sticht ein Aspekt hervor. Auch wenn einmal für zwei, drei Jahre seine Platzierungen nicht die besten waren, folgten darauf Phasen, in denen er wieder in Topform war. Die Saison 1992/93 schloss er etwa als 3. in der Gesamtweltcupwertung ab. Mitte der 90er gelang ihm so etwas nicht mehr. Doch beim Weltcup 1998/99 wurde er abermals 3. in der Gesamtwertung. Dieses Muster zeichnet sich über seine gesamte Karriere hinweg ab.

Kasais Platzierungen im Gesamtweltcup am Ende der jeweiligen Saison von 1991 bis 2020. ©FIS International Ski and Snowboard Federation

Ski and Snowboard Federation So kam es auch dazu, dass er nach seinen schlechtesten Jahren Anfang der 2010er, zwischen 2013 und 2017 seine erfolgreichste Phase hatte. Während dieses sportlichen Höhenflugs war Kasai bereits über 40 Jahre alt, was im Skispringen eine absolute Ausnahme darstellt.

Kasai und seine Teamkollegen beim Trainieren im Trainingslager auf Miyakojima im Mai 2022. ©Noriaki Kasai

Topleistungen der Legende

Einige Highlights dieser Ära waren insbesondere sein Sieg beim Skifliegen am Kulm 2014 und die zwei Silbermedaillen bei den olympischen Spielen im selben Jahr. Über die kommenden Saisonen sollte Kasai viele solide Platzierungen sowie einige Podiumsplätze erreichen können. So gelang es ihm mit Takanashi Sara, Itō Yūki und Takeuchi Taku, 2015 die Bronzemedaille beim Mixed-Teamspringen (Zwei Frauen, zwei Männer) der nordischen Skiweltmeisterschaften zu gewinnen. 2017 konnte Kasai noch einen guten 8. Platz bei der Raw Air (ein Teil des Weltcups, bestehenden aus sechs Wettbewerben) erlangen. In den darauffolgenden Jahren haben seine Platzierungen immer weiter abgenommen. Seinen bisher letzten Auftritt im Weltcup hatte er am 02.02.2020 in Sapporo. Aufgegeben hat Kasai den Sport aber nicht. Auch heute trainiert er noch und nimmt an Wettbewerben teil. Anfang 2022 konnte er bei einem nationalen Wettbewerb 7. werden. Keiner der anderen Teilnehmer war auch nur annähernd so alt wie er.

Jahrzehntelanger Publikumsliebling

Kasai Noriaki zeichnet sich nicht nur durch seine lange und erfolgreiche Karriere aus, sondern auch durch seine Beliebtheit in der Skisprung-Fangemeinde. Seine Omnipräsenz im Skisprungsport, nicht zuletzt auch sein sympathisches Auftreten, machten aus Kasai über die Jahre hinweg einen Publikumsliebling. Seine Fans kommen aber bei weitem nicht nur aus Japan. Wenn er einen guten Sprung hinlegt, freuen sich mit ihm alle anderen Sportler*innen und Zuseher*innen (ganz gleich welche Nationalität diese haben).

Nach einem Sprung von 197 Metern befördert Kasai sich nicht nur auf den 1. Platz. Er wird auch zum Rekordhalter für die älteste Person, die jemals einen Skisprung-Wettbewerb gewonnen hat. Daraufhin zollen ihm folgende Kollegen ihren Respekt: Gregor Schlierenzauer (AUT), Severin Freund (GER), Robert Kranjec (SLO), Peter Prevc (SLO), Michael Hayböck (AUT), Jurij Tepes (SLO) und Wolfgang Loitzl (AUT).

Gefördert wird dieses Phänomen einer grenzüberschreitenden Fangemeinschaft auch durch die Art und Weise, wie Skisprungwettbewerbe ausgetragen werden. In den meisten Fällen bestehen diese nämlich aus Einzelspringen. Schöne Sprünge zählen mehr als nationale Gewinne.

Im Zuge meiner Forschung habe ich Berichterstattungen mehrerer deutsch- und englischsprachiger Nachrichtenplattformen (von „Skispringen.com“ über „The Japan Times“ bis hin zu „Der Standard“) analysiert und ausgewertet. Während der Recherchearbeit, habe ich folgende Daten gesammelt: Anzahl der Artikel (je nach Quelle), Relevanz in Bezug auf Kasai und wie er dargestellt wird. In meiner wissenschaftlichen Arbeit konnte ich mit diesen Informationen aufzeigen, welches Bild die Medien von Kasai verbreiten. Die Berichterstattungen über ihn liegen zwischen neutral und sehr positiv, beinhalten nie beleidigende oder nationalistische Elemente und waren über den gesamten Zeitraum (27.11.2010 bis 08.02.2022) Großteils konstant. In vielen Artikeln wurde auch Kobayashi Ryōyū thematisiert. Dabei hat sich gezeigt, dass spätestens ab der Saison 2018/19 Kobayashi mehr als Kasai im Rampenlicht steht. Neben den offiziell publizierten Artikeln, habe ich auch die Kommentare von Online-Nutzer*innen begutachtet. In diesen Kommentarsektionen wird Kasai durchwegs positiv beurteilt. Repräsentativ für viele weitere Meinungsäußerungen stehen folgende Aussagen. So geht „nickmaxell“ davon aus, dass es in Österreich mindestens genauso viele Fans von Kasai gibt, wie in Japan. Anderen Beobachtungen von „dERpATRIOT“ zufolge soll der Jubel des Publikums bei einem in Österreich veranstaltetem Wettbewerb größer sein, wenn Kasai springt, als wenn ein Österreicher auftritt. Die Wirkung, die Kasai auf den Sport, die Berichterstattung und jeden einzelnen Skisprungfan hat, fasst „Hosenträgerträger“ prägnant zusammen „Noriaki Kasai – Nationalitäten werden angesichts seiner Leistungen einfach komplett irrelevant. Und das zu sehen, finde ich jedes Mal wieder schön.“ (nickmaxell 2015; dERpATRIOT 2015; Hosenträgerträger 2014).

Es gibt sogar Fan-Accounts auf sozialen Netzwerken und Lieder, die ihm gewidmet sind. Eines dieser Lieder trägt den Namen „Mr. Noriaki Kasai“. Es wurde von der finnischen Punkband „Van Dammes“ geschrieben und interpretiert. Das Lied beginnt mit folgendem Zitat Kasais aus einer Fernsehübertragung „I continue forever“. Im Text werden die persönlichen Erfahrungen von jemanden geschildert, der seit seiner Kindheit Kasai stets beim Skispringen bewundert.

Das Video zeigt Ausschnitte aus Kasais Karriere. Der Text zum Lied ist in der Videobeschreibung auf YouTube einzusehen. ©Van Dammes

Von diesem Lied gibt es nicht nur mehrere Covers auf YouTube, sondern es wurde auch in einer japanischen Fernsehsendung thematisiert. Die Verbreitung unter Fans und positiven Rezensionen des Liedes deuten darauf hin, dass der Text von „Mr. Noriaki Kasai“ die Erfahrung vieler Menschen widerspiegelt. Denn findet ein Skispringen mit Kasai statt, freuen sich viele Leute, drücken die Daumen und haben Hochachtung vor „der Legende“ Noriaki Kasai.


Aufnahme eines Sprungs von Kobayashi aus dem Jahre 2022. ©Ryōyū Kobayashi

Kobayashis Skisprung-Ära

Da Kasai in den letzten drei Jahren nicht für den Weltcup aufgestellt wurde, ist Kobayashi nun der Favorit. Mit Kobayashi steht und fällt die Hoffnung für eine glorreiche Zukunft des japanischen Skispringens. Zwar gibt es auch andere japanischer Springer*innen, die in den letzten Jahren gute Leistungen vorweisen konnten (wie Nakamura Naoki, Takanashi Sara, oder Satō Yukiya), doch seit Kobayashi in der Saison 2018/19 zum Überflieger wurde, begab sich Japans Skisprungkultur in eine Renaissance. Spätestens nachdem er sich Anfang 2019 den Grand Slam holen konnte, begann für ihn, seine Landsleute, sowie dem gesamten Skisprungsport, eine neue Ära.

Eine Ära, der Kasai als Trainingspartner und Mentor zwar noch beiwohnt, in der er (bisher) aber keine nennenswerten Ergebnisse verbuchen konnte. Strenge Richtlinien und genaue Kontrollen, damit alle Teilnehmer*innen möglichst gleich aufgestellt sind, gehören mehr dazu als je zuvor. Durch moderne Techniken, Materialen und vor allem Schanzen, kommt es immer wieder zu neuen Bestweiten. So erreichte der Österreicher Stefan Kraft 2017 beim Skifliegen in Vikersund den absoluten Weitenrekord von 253,5 Metern. Als Kasai mit dem Skispringen begann, lag der weiteste Sprung noch unter 200 Meter.

Kobayashi streckt den Pokal zu seinem Sieg des Gesamtweltcups der Saison 2018/19 in die Höhe. ©Ryōyū Kobayashi

King Kobayashi

Kobayashi Ryōyū gilt als Diamant, der mittlerweile geschliffen werden konnte. Durch aufmerksames Training mit seinem Trainer Janne Väätäinen, weisen Worten seines Kollegen Kasai und nicht zuletzt dem ehrlichen Spaß am Springen, konnte er die Form erlangen, mit der er so schnell so viel erreicht hat. Siege konnte er mittlerweile bei fast allen Wettbewerbsformen des Skisprung-Zirkus erzielen. Die Vierschanzentournee gewann er zweimal, einmal gelang ihm dabei der Grand Slam.

Den Gesamtweltcup hat er ebenfalls bereits zweimal gewonnen. Der Sieg am Ende des Weltcups 2019 war für ihn persönlich bis dahin seine schönste sportliche Erfahrung. Denn ihm gelang es als erstem, nicht europäischem Mann, den Weltcup für sich zu entscheiden. Am 11.03.2019, noch Wochen vor dem Ende der Saison, stand sein Sieg (aufgrund des großen Punktevorsprungs) bereits fest. Viele Menschen aus Japan verbinden mit diesem Datum nichts Positives. Denn 8 Jahre zuvor ereignete sich die sogenannte Dreifachkatastrophe im Nordosten von Japan. Kobayashi sieht an dieser Koinzidenz des Datums aber nichts Schlechtes. Vielmehr hofft er, dass Japaner*innen von nun an am 11.03. optimistisch und voller Hoffnung in eine positive Zukunft blicken können.

Bei den olympischen Winterspielen 2022 in Peking konnte er sowohl eine Silber- als auch eine Goldmedaille mitnehmen. Noch einige Woche zuvor hoffte Kobayashi inständig, dass ihm das Kunststück eines ersten Platzes bei den olympischen Winterspielen gelingen würde. Denn das letzte olympische Gold beim Skispringen lag für Japan über 20 Jahre zurück (das Mannschaftsspringen 1998). Um bei Wettbewerben mit derart viel Aufmerksamkeit gute Leistungen abzuliefern, muss Kobayashi nicht einfach nur gut Springen können. Ruhig zu bleiben und sich auf die Sprünge zu freuen, gehört auch dazu. Dies sind Fähigkeiten, die er von seinen Kollegen Kasai gelernt hat. Zum Start seiner erfolgreichen Phase war er das große Interesse der Medien alles andere als gewöhnt. Mittlerweile ist das für ihn aber auch zur Norm geworden.

Kobayashi gewinnt olympisches Gold, darauf hat Japan über 20 Jahre lang gewartet. ©Eurosport

All diese nennenswerten Erfolge werden Kobayashi, neben seiner jugendlichen Kraft sowie den Bemühungen der Trainer und Mentoren, auch seiner speziellen Absprungtechnik zugewiesen. Ihm gelingt es konstant, im Moment des Absprungs vom Schanzentisch keine Geschwindigkeit zu verlieren. Somit geht er, mit all dem im Anlauf aufgebauten Tempo, in die Flugphase über, so Andreas Goldberger. Nicht nur verhilft seine höhere Geschwindigkeit zu weiten Sprüngen, sondern auch zu einem stabileren Flug, ganz gleich woher der Wind weht. Kobayashis nicht ganz ungefährlicher Sprungstil, wird von dem ehemaligen deutschen Skispringer Sven Hannawald als nahezu perfekt beschrieben.

Generationenwechsel

Auch wenn er weiterhin trainiert, springt und Freude am Sport hat, lassen Kasais Ergebnisse der letzten Jahre nicht davon ausgehen, dass er in den Weltcup, bei einer Weltmeisterschaft, oder zu den olympischen Winterspielen, zurückkehren wird. Kobayashi wiederum sollte noch den Großteil seiner Laufbahn, und einige erfolgreiche Ereignisse, vor sich haben.

Nach nach dem Sieg von Kobayashi bei den olympischen Winterspielen 2022 auf der Normalschanze, gratuliert ihm sein Kollege Kasai. Dieser nahm an den Spielen zwar nicht Teil, fungierte aber als Kommentator fürs japanische Fernsehen. ©Ryōyū Kobayashi

Selbst mit seiner überdurchschnittlich langen Laufbahn kommt Kasai nicht an die Erfolge heran, die sich der 26-jährige Kobayashi innerhalb von sieben Jahren Springen, auf internationaler Bühne, erarbeitet hat. Umso mehr gilt es, Kasai seine Beharrlichkeit beim Skispringen anzurechnen. Die Fähigkeit, mit Springer*innen mithalten zu können, die halb so alt sind wie er selbst, hat außer ihm niemand. Dadurch, und wegen Kasais Willen, solange wie möglich, weiter zu springen, besteht noch immer eine (kleine) Chance auf die Rückkehr des Altmeisters. Immerhin kann er auch zusammen mit Kobayashi trainieren, da sie im gleichen Verein (Tsuchiya Home Ski Team) sind. So profitieren die beiden von den Stärken des jeweils anderen. Kasai hat die Möglichkeit, mit einem jungen Top-Springer zu trainieren. Kobayashi wiederum kann einiges von den Erfahrungen seines Kollegen mitnehmen. Sie ergänzen sich bei den Vorbereitungen bzw. beim Training, ihre Karrieren kann man aber wohl kaum vergleichen. Beide sind erstklassige Skispringer, die unterschiedliche Rekorde aufgestellt haben, die sobald niemand brechen wird. Ein Aspekt zeichnet Kasai und Kobayashi aber gleichermaßen aus. So wie Kasai in den letzten Jahrzehnten, gilt Kobayashi nun seit ein paar Jahren als der bekannteste und erfolgreichste männliche japanische Skispringer. Eine Gemeinsamkeit, welche die beiden auch nach Ende ihrer Skisprungkarriere verbinden wird.

Pressetext (verfasst im November 2022):

Brillante Leistungen, Alleinstellungsmerkmale, oder eine sehr lang andauernde Karriere – so machen sich Profisportler*innen meist einen Namen. Diese drei Eigenschaften treffen auch auf den japanischen Skispringer Kasai Noriaki zu. Der 1972 geborene Athlet war für rund 30 Jahre als Skispringer international aktiv. Seine Omnipräsenz im Skisprungsport, nicht zuletzt auch sein sympathisches Auftreten, machten aus Kasai über die Jahre einen Publikumsliebling. Dabei hat er nicht nur japanischen Fans. Bei einer guten Platzierung freuen sich alle anderen Springer*innen, Trainer*innen und Zuschauer*innen mit ihm, ob diese nun aus Japan, oder einer anderen Nation sind. Während seiner Laufbahn hat er nicht nur an etlichen Wettbewerben teilgenommen und viele gute Sprünge vollzogen, sondern auch Kollegen kommen und gehen sehen. Als Kasai Ende der 80er Jahre im Weltcup sprang, wurde der heutzutage als selbstverständlich angesehene Sprungstil, bei dem die Skier während des Fluges ein V formen, noch nicht von jedem Springer eingesetzt. Kasai startete seine Laufbahn noch mit dem ursprünglichen Parallel-Stil.

Doch nicht nur die Techniken der Athleten, sondern auch deren Ausrüstungen und Sprungweiten, die Schanzen von denen gesprungen wird, die Einführung eines Weltcups für Frauen, sowie die Aufmerksamkeit und Berichterstattung der Medien, haben sich seit dem Karrierebeginn von Kasai stark verändert. Immerhin erstreckt sich seine Laufbahn über knapp vier Jahrzehnte.

Während Kasai die letzten drei Jahre in Folge nicht für den Weltcup aufgestellt wurde, gibt es jüngst einen anderen Sportler des japanischen Kaders, der in aller Munde ist. Kobayashi Ryōyū ist vor allem wegen seiner herausragenden Leistungen bekannt. Er erlangte gute Platzierungen und Siege bei Wettbewerben wie beispielsweise der Vierschanzentournee 2018/19, dem Gesamtweltcup 2021/22, oder den olympischen Winterspielen 2022. Manche dieser Platzierungen und Leistungen, die der 26-jährige innerhalb von sechs Jahren erreichte, kann selbst Kasai in seiner (bisherigen) Laufbahn nicht vorzeigen. Nichtsdestotrotz zeichnet ihn seine Beharrlichkeit beim Springen aus, insbesondere jedoch seine Fähigkeit mit Springer*innen mithalten zu können, die halb so alt sind wie er selbst. Da die beiden Sportler demselben Verein angehören und zusammen trainieren, profitieren sie von den Stärken des jeweils anderen.

Das Ziel meiner Forschung war es herauszufinden, wie der Skispringer Kasai Noriaki in der medialen Berichterstattung dargestellt wird. Konkret wurden dabei westliche Medien untersucht, vor allem deutschsprachige Nachrichtenplattformen wie etwa „Der Standard“, „Skispringen.com“, oder die „Neue Züricher Zeitung“. Im Zuge der Arbeit konnte festgestellt werden, dass Kasai fast ausnahmslos positiv dargestellt wird, unabhängig vom Ursprung des Beitrags, oder der momentanen Leistung des Sportlers. Zudem deckte die Recherche einen interessanten Zusammenhang auf, der nicht Teil der Forschungsfrage selbst war. Innerhalb der letzten Jahre hat Kobayashi eine ähnliche Stellung eingenommen, wie sie Kasai einst innehatte – nämlich die des bekanntesten japanischen Skispringers.

Wie sich Kobayashi und der Sport des Skispringens in Zukunft noch entwickeln werden, steht in den Sternen. Grundlegende Änderungen in der Sportart, wie es sie in der Vergangenheit immer wieder gab, zeichnen sich (zumindest momentan) nicht ab. Doch wenn uns die letzten gut 30 Jahre eines gezeigt haben, dann, dass das Skispringen weiterhin spannende Entwicklungen und herausragende Persönlichkeiten hervorbringen wird.

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