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Partizipative Projekte aus dem Bereich der Japanologie

16. Januar 2023 von Patrizia Irina Stromberger

Vegane Ramen in Wien – die neue Vielfalt

Ramen ohne Fleisch, geht das überhaupt? Die Wiener Ramen-Szene sagt ja und tischt in ganz Wien vegan auf. Die Gastronom*innen arbeiten dabei im Spannungsfeld zwischen traditionellen und veganen Ernährungsweisen und integrieren die veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen in das Restaurant-Konzept als Ganzes, oder betrachten die veganen Ramen-Varianten als getrennt vom restlichen Angebot. Besonders in Bezug zur Authentizität des Gerichtes vertreten sie durchaus emotionale Standpunkte. Was als authentisch japanisch betrachtet werden kann wird somit zur Verhandlungssache.
Gebackener Tofu, Shiitake-Pilze, frischer sowie marinierter Rettich, Sojasprossen und hauchfein geschnittene Zwiebeln als Topping des Yasai-Ramen im Oreno Ramen in der Lerchenfelder Straße in Wien. ©Oreno Ramen

Ramen ist eines der beliebtesten Gerichte der japanischen Küche und wird in unzähligen Varianten angeboten. Die Nudelsuppe besteht aus drei Komponenten, den Nudeln (men), der Suppenbrühe (shiru) und der Würzsoße (tare) und ist ein traditionell fleischhaltiges Gericht. Die Nudeln werden aus Weizenmehl, Salz und Wasser hergestellt. Letzteres wird in der Regel mit einer alkalischen Lösung (kansui) angereichert was den Nudeln ihre gelbliche Farbe und Textur gibt und ihnen zudem ihre spezielle Elastizität verleiht.

Das klingt schon einmal gut und ist ohnehin vegan. Die wahre Herausforderung stellt jedoch die Suppenbrühe dar. Sie wird traditionell aus einer Kombination von Fleisch, Meeresfrüchten und Gemüse gekocht und wird üblicherweise aus Hühner- oder Schweinefleisch gemacht, insbesondere den Füßen, Rücken, Rippen und Haxen. Des Weiteren werden Venusmuscheln, getrockneter Fisch (bonito) und getrockneter Seetang (konbu), Zwiebeln, Schalotten, Ingwer und auch Knoblauch verwendet. Der Fleischgeschmack geht hier eine Verbindung mit den Geschmäckern des Meeres ein und verlangt den Köchen in Wien einiges ab, wenn es darum geht, eine vegane Brühe zu kochen, die diese geschmackliche Vielfalt und Tiefe auch erreicht.

„Es ist nicht einfach, aus veganen Zutaten eine Brühe zu machen die auch wirklich kräftig und gut ist, […] vor allem auch, dass sie sämig ist. Eine Ramen-Brühe braucht Tiefe, es braucht mehrere Schichten im Geschmackserlebnis und muss auf der Zunge jeden Geschmacksbereich aktivieren“, sagt Alexander Zhan-Yang von Ramen Makotoya.

In dieser Hinsicht sind sich die Inhaber*innen der Wiener Ramen-Bars einig und man verwendet vor allem konbu und shiitake um eine vegane Brühe (dashi) zu kochen, aber auch Tomaten und geröstetes Gemüse, die zu einem intensiven Geschmacksprofil beitragen. Die Würzsoße, schließlich, gibt dem Ramen seine Grundtonalität und ist in der Regel in drei Geschmacksrichtungen – Salz (shio), fermentierte Sojabohnenpaste (miso) oder Sojasauce (shōyu) – erhältlich. Ramen vegan zuzubereiten, bedeutet vor allem erstmal viel auszuprobieren, bis man ein geschmacklich ausgewogenes Resultat erzielt.

Vegane Vielfalt bei den Ramen-Toppings

Hat man die drei Grundkomponenten erstmal im Griff, gibt es darüber hinaus noch unzählige Varianten für Toppings. Die Klassiker sind hierbei Schweinefleisch (chashu) und Ramen-Eier (ajitama), aber auch eine Vielzahl an veganen Schmankerln stehen zur Auswahl: getrocknete Algenblätter (nori), Frühlingszwiebel (aonegi), marinierte Bambussprossen (menma), Mais und chinesischer Blätterkohl (pak choi) sowie Rettichsprossen (kaiware), geriebener Rettich (daikon oroshi), Pasaniapilze (shiitake) oder eingelegte Ingwerstreifen (beni shōga). Der Star unter den veganen Toppings ist hierzulande auch kein Unbekannter mehr und hat nichts mit dem geschmacklosen weißen Block zu tun, den sich viele darunter vorstellen. Tofu wird in den Wiener Ramen-Bars herzhaft mariniert und scharf angebraten oder herrlich knusprig frittiert und ist eine wahre Gaumenfreude.

Ramen – ein globales Phänomen

Diese Vielfalt kommt nicht von ungefähr, denn die japanische Nudelsuppe Ramen hat mit ihrem chinesischen Ursprung, den Lāmiàn, was übersetzt so viel wie gezogene Nudel bedeutet und traditionell in Rindfleischsuppe serviert wird, nicht mehr allzu viel zu tun. Zwar fand das Gericht Ramen seinen Weg über chinesische Einwanderer, die als Köche in Restaurants der Hafenstadt Yokohama arbeiteten, nach Japan – dieser Umstand lässt sich bis in die 1880er Jahre zurückverfolgen – die Assimilierung des Gerichtes begann jedoch bereits in den 1910er Jahren und brachte japanische Ramen-Varianten hervor, die bis dahin nicht verwendete Zutaten nutzten. Ramen war in den 1960er Jahren vor allem bei der Arbeiterklasse beliebt, avancierte in den 1980er Jahren jedoch zum Trendfood der japanischen Jugend und verdankt seinen globalen Siegeszug vor allem der Erfindung des Instant Ramen durch Momofuke Andō und dessen Export ab den 1990er Jahren.

In Japan gibt es heutzutage mehr als 80.000 Ramen-Restaurants und nahezu jede Region hat eigene Variationen herausgebildet. In Anbetracht dieser besonderen Historie ist das Gericht in höchstem Maße durch kulturelle Aneignung und Mobilität geprägt. Die Anpassung ethnischer Landesküchen an den Geschmack lokaler Kunden ist ein langjähriges Phänomen, das rund um den Globus zu beobachten ist, und hat vielerorts lokale Ausprägungen hervorgebracht. Hier stellt sich also die Frage, welche Bedeutung vegane Alternativen in Bezug zur Authentizität des Gerichtes Ramen für die Ramen-Szene Wiens haben und wie Restaurantinhaber*innen im Spannungsfeld zwischen traditionellen Ernährungsweisen und aktuellen Entwicklungen in der veganen Ernährung agieren. So ist Ramen zwar ein traditionell fleischhaltiges Gericht, es findet jedoch zunehmend sein vegetarisches oder veganes Pendant.

Fleischkonsum und Veganismus in Österreich und Japan – ein Exkurs

Fleischkonsum in Österreich und Japan

Lebensmittel sind für etwa 26 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und tierische Lebensmittel im Speziellen für bis zu zwei Drittel der Ernährungsbedingten Emissionen.

In Österreich ist der Fleischkonsum seit den 1950er Jahren um mehr als 160% gestiegen und beläuft sich mit Stand 2021 auf rund 91 kg Fleisch, was einem jährlichen Verzehr von ca. 61 kg (ohne Knochen und Sehnen) pro Person entspricht. Der heutige Fleischverzehr Japans beläuft sich mit Stand 2019 auf einen Pro-Kopf Konsum von 97 kg, wobei der Anteil an Fleisch mit 51,9 % und Fisch bzw. Meeresfrüchten mit 47 % am Gesamtkonsum zu Buche schlägt.

In der öffentlichen Wahrnehmung und im Bewusstsein der Bevölkerung sind vor allem der Energie- und Transportsektor als Problemfelder im Zuge des Klimawandels präsent, doch auch das globale Lebensmittelsystem trägt wesentlich zu den weltweiten Emissionen bei. Alternative Ernährungsweisen wie eine überwiegend pflanzenbasierte, vegetarische bzw. die vegane Ernährungsweise können einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Die japanische Küche ist heutzutage ein Hybrid aus chinesischen, japanischen und europäischen Einflüssen und das Konzept des Vegetarismus oder Veganismus ist in Japan ähnlich wenig verbreitet wie in anderen Industrienationen – obwohl in Japan seit dem 13. Jahrhundert eine traditionell auf Gemüse basierende buddhistische Küche (shōjin ryōri) vorzufinden ist. Der Veganismus ist in der öffentlichen Wahrnehmung in Japan nicht so präsent wie in europäischen Ländern, trotzdem gibt es auch dort eine aktive Bewegung.

Laut einem Informationsblatt der japanischen Tourismusbehörde – „Vegetarian and Vegan Guide for Food and Beverage Businesses" – liegt der Anteil der Flexitarier in Japan im Jahr 2021 bei 15,8 %. Vegetarier werden mit 3,8 % und Veganer mit 2,2 % angeführt. In Österreich beläuft sich der Anteil an Flexitariern auf 30 %, jener der Vegetarier auf 9 % und der Bevölkerungsanteil der Veganer auf 2 %. Quelle: Statista 2021.

Die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums veranlassen auch in Österreich immer mehr Menschen dazu, sich flexitarisch, vegetarisch oder vegan zu ernähren und den Fleischkonsum so weit wie möglich zu reduzieren. Als häufigster Grund für eine fleischreduzierte bzw. fleischlose Ernährungsweise wurde im Jahr 2021 der Tierschutz genannt, gefolgt von einem besseren körperlichen Wohlbefinden auf Rang zwei und gesundheitlichen Gründen an dritter Stelle. Diese Entwicklung verändert auch das gastronomische Angebot und macht auch vor der japanischen Küche nicht halt.

Authentizität und Veganismus aus Sicht der Gastronom*innen

Drei Kategorien nach der Berliner Japanologin Cornelia Reiher
Im Zuge ihrer Feldarbeit in Berlin identifizierte Reiher drei Gruppen die aufgrund ihrer unterschiedlichen Zugänge zur japanischen Küche den Kategorien personal, fusion oder as a profession zuzuordnen sind.

personal
Die erste Gruppe hat einen sehr persönlichen Zugang zur japanischen Küche und ist durch eine gesundheitsbewusste Grundeinstellung geprägt. Sie begegnen der japanischen Küche mit Respekt, sind jedoch aufgeschlossen gegenüber neuen Ansätzen und experimentieren mit eigenen Ideen. Ihre Speisen bezeichnen sie nicht notwendigerweise als japanisch und persönliche Geschmacksvorlieben bestimmen das Angebot.

fusion
Die zweite Gruppe erkennt die japanische Küche aus pragmatischen Gründen als Fusionsküche an. Sie passen Rezepte an, bezeichnen ihr Angebot jedoch als authentisch japanisch und legen viel Wert auf eine entsprechende Vermarktung. Trotz ihres Engagements sind sie weniger emotional involviert und betrachten ihre Tätigkeit eher als Einkommensquelle.

as a profession
Die dritte Gruppe schließlich besteht aus professionell ausgebildeten Unternehmern und Köchen, welche die japanische Küche sehr ernst nehmen und diese als ihren Beruf betrachten. Für sie geht es sowohl um die regelkonforme Zubereitung von Speisen als auch um den Respekt gegenüber der japanischen Küche und ihrer Arbeit. Demnach sind sie nur geringfügig bis gar nicht bereit Kompromisse einzugehen.

Die Ansprüche der Gastronom*innen an eine vegetarische bzw. vegane japanische Küche, und die Grenzen dessen, was als akzeptabel gilt, wenn es um Authentizität geht, stehen in direktem Zusammenhang mit der kulturellen und kulinarischen Identität der Gastronom*innen. Die Umsetzung veganer Ramen-Varianten im eigenen Restaurant dient dabei als Ausdruck der persönlichen Werte und Ideale. Diese Werthaltung wird von den Wiener Gastronom*innen jedoch nicht nur als ökonomischer Marker konstruiert, sondern hat auch eine emotionale Ebene. Sie beeinflusst auf unterschiedliche Weise die Vorstellungen, Standards und Prioritäten der Gastronom*innen in Bezug auf die japanische Küche. Nach einem Modell der Berliner Japanologin Cornelia Reiher lassen sich die Gastronom*innen anhand dieser Faktoren in drei Kategorien personal, fusion und as a profession einordnen.

Des Weiteren zeigt sich auch, dass sich lokal zwei unterschiedliche Strategien zur Handhabung der veganen Ernährungsweise herausgebildet haben und die Wiener Gastronom*innen in Bezug zum Klimaschutz, dem Veganismus und dem Aspekt der Authentizität durchaus unterschiedliche Positionen einnehmen. Insgesamt lässt sich eine lokale Marktanpassung in Wien feststellen die eine ungeahnte Vielfalt veganer Ramen-Varianten hervorgebracht hat und auf diese Weise die Wahrnehmung dessen verändert, was in Bezug zur japanischen Küche als authentisch betrachtet wird.

Kreative japanische Küche im MAKA Ramen

Maximilian Hauf und Katrin Wondra sind beide professionell ausgebildete Köch*innen und eröffneten im Januar 2022 ihre Ramen-Bar im 7. Bezirk in Wien. Das deutsche Paar sammelte bereits in unterschiedlichen Restaurants in Wien und International Berufserfahrung.

Die Inhaber*innen des Maka Ramen, Katrin Wondra und Maximilian Hauf. ©MAKA Ramen

Maximilian Hauf hat eine klassische französische Kochausbildung und fand seine Liebe zur japanischen Nudelsuppe über eine kulinarische Reise nach Japan, welche schließlich Inspirationsgeber und Anstoß dafür war, selbst eine Ramen Bar in Wien zu eröffnen. Im Gespräch berichtet er über seinen sehr persönlichen Zugang zu dem Gericht Ramen und bezeichnet sein Angebot nicht notwendigerweise als authentisch japanisch. Als Basis für das eigene Schaffen dienen ihm die Erinnerungen an das Geschmackserlebnis auf seiner Japanreise und so bestimmt der eigene Geschmack bzw. der seines Teams das Speiseangebot. Ramen nimmt er nicht gänzlich als japanisches Gericht wahr, sondern als Ergebnis einer hybriden asiatischen Küche. Allein die Varianten Shōyu, Shio und Tonkotsu begreift er als authentisch japanische Gerichte und hebt besonders deren Facettenreichtum, Ausgewogenheit und Balance im Geschmacksprofil als japanisch hervor.

Kreative Ramen-Variantem werden im MAKA Ramen sowohl vegetarisch als auch vegan aufgetischt. ©MAKA Ramen

Vegetarische bzw. vegane Varianten des Gerichtes fasst er nicht als authentisch japanisch auf und begreift diese als Experimentierfeld für neue Kreationen, die auch weniger traditionelle Zutaten beinhalten. Er spricht ihnen für die Zukunft der japanischen Küche auch eine größere Rolle zu und befürwortet diese Ernährungskonzepte, vor allem aus Gründen der Nachhaltigkeit.

„Grundsätzlich bin ich super dafür, dass wir viel mehr pflanzlich essen, viel mehr vegetarisch und vegan. Ich finde das ist auch die Zukunft, muss man leider so sehen. Da sind wir jetzt angekommen, das muss einfach geschehen. […] Und ich bin mittlerweile auch kein Feind mehr und habe ein anderes Bild als vor fünf sechs Jahren, aber mittlerweile gehört’s dazu. Jeder Koch muss das können, jeder Koch sollte auch dahin gehen. Weils halt auch einfach nachhaltiger ist. (Interview mit Maximilian Hauf, durchgeführt von der Autorin, 20. Juli 2022, Wien).

Diese Einstellung spiegelt sich auch in der Auswahl der Zutaten und der Zusammenstellung der Speisekarte wider. Die Qualität der Zutaten hat für ihn höchste Priorität und der nachhaltige Gedanke wird auch bei tierischen Produkten wie Suppenhühnern und Schweinefleisch hochgehalten, welche von regionalen Öko-Bauern bzw. in Bioqualität bezogen werden. Den Trend des Veganismus schätzt er in Europa größer als in Asien ein und so besteht die Speisekarte immer auch aus einer vegetarischen bzw. veganen Ramen-Variante und dem zu 90% ebenso konzipierten Special Ramen im wechselnden Angebot. Zudem sind drei von fünf Vorspeisen vegetarisch bzw. vegan. Laut eigenen Angaben werden 50 % der Ramen und bis zu 80 % der Vorspeisen in der vegetarischen oder veganen Variante verkauft.

Aufgrund der künstlerischen Gestaltung des Gastraumes besuchen viele Kunden aus der Kunstszene das Restaurant und das Gericht selbst ist nicht immer ausschlaggebend für den Besuch ©MAKA Ramen

Das Ambiente des MAKA Ramen lockt nicht nur viele japanische und asiatische Kunden an, die etwas Neues ausprobieren wollen, sondern auch ältere Herrschaften, die die Weinauswahl schätzen und Gäste, die in einer entspannten Atmosphäre essen wollen.


Authentisch Japanisch im Ramen Makotoya

Mit ihrer Ramen-Bar in Wien haben Alexander Zhan-Yang und seine Frau Jasmin den ersten Standort des japanischen Franchise Makotoya in Europa eröffnet. Nach einem Studium im Bereich Werbung, leitete Alexander Zhan-Yang eine eigene Agentur mit Schwerpunkt Gastronomie und entschloss sich schließlich, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Von dem Gericht Nudelsuppe war er schon immer angetan und das entscheidende Schlüsselerlebnis für die Eröffnung einer Ramen-Bar war der Genuss der beliebten Nudelsuppe in Japan. Er ist überzeugt von der Überlegenheit der japanischen Küche und bewundert die Hingabe japanischer Köche an die Zubereitung ihrer Speisen.

Alexander Zhan-Yang und seine Frau Jasmin vor ihrem Restaurant Ramen Makotoya in der Reichsratsstraße in Wien. ©Alexander Zhan-Yang

Der Zugang von Alexander Zhan-Yang zu dem Gericht Ramen ist sehr stark von seinen chinesischen Wurzeln, seiner kulturellen Identität als Asiate und seiner Vorliebe für die japanische Küche geprägt. Er respektiert den Perfektionismus der Japaner und legt viel Wert auf ein authentisch japanisches Geschmackserlebnis. Anpassungen an ein europäisches Geschmacksprofil lehnt er kategorisch ab, da Authentizität und Qualität für ihn von größter Bedeutung sind. Um diese gewährleisten zu können, entschied man sich für einen Franchise-Partner aus Japan. Die grundlegenden Rohstoffe werden aus der Region, die geschmacksdefinierenden Zutaten jedoch aus Japan bezogen. Ramen begreift er in seiner heutigen Form als japanisches Gericht, die vegane Variante jedoch sieht er als Anpassung an den europäischen Markt. In Zusammenarbeit mit den japanischen Köchen entwickelte man eine Rezeptur, die auch geschmacklich für diese vertretbar ist.

Herr Yoshida vom Franchisegeber aus Ōsaka zusammen mit dem Team vom Ramen Makotoya in Wien. ©Alexander Zhan-Yang

Insgesamt ist Alexander Zhan-Yang jedoch der Auffassung, dass der Veganismus für die japanische Küche keinerlei Bedeutung hat und in Japan aufgrund der ausgewogenen Ernährungsweise kein Bedarf an diesem Trend herrscht. Der Veganismus sei in der japanischen Gesellschaft nicht verankert und generell mit der japanischen Ernährungsweise nicht vereinbar. Er geht davon aus, dass sich die Esskultur Asiens zu stark von anderen Landesküchen unterscheide und Asiaten ihre Küche sehr eng mit ihrer Geschichte und Kultur verknüpfen und somit als Teil ihrer Identität begreifen.

„Essen ist ein Teil meiner Kultur und vor allem was ich esse, ist ein Teil meiner Kultur und ich kann das einfach nicht ablegen. […] Essen hat eine andere Bedeutung als hier im Westen. […] In der asiatischen Küche ist es […] ein Teil von uns den wir nicht aufgeben können. Ich bin kein Vegetarier oder Veganer, aber ich esse sehr oft vegetarisch und vegan. Es geht darum, dass ich nicht gänzlich diese Person sein kann.“ (Interview mit Alexander Zhan-Yang, durchgeführt von der Autorin, 17. Juni 2022, Wien).

Als Trend steht er dem Vegetarismus und Veganismus zwar kritisch gegenüber, ist der veganen Küche jedoch prinzipiell aufgeschlossen und befürwortet die Bewegung in Bezug auf den Tier- und Umweltschutz. Trotz allem geht er nicht davon aus, dass eine klimafreundliche Ernährungsweise in dem

Das Yasai Ramen im Ramen Makotoya wartet mit Kräuterseitlingen, Jungzwiebeln, Sojasprossen, Schmortomaten, Schwarzem Sesam und Mais auf. ©Alexander Zhan-Yang

derzeitigen Lebensmittelsystem möglich ist und da im Makotoya auch Fleischgerichte angeboten werden, spielen diese Beweggründe auch keine Rolle für die Auswahl der Zutaten oder die Zusammenstellung der Speisekarte.

Die Gäste kommen wegen der Authentizität der Gerichte und ein authentisches Erlebnis im Restaurant spiegle sich neben dem Geschmack der Speisen als wichtigstem Punkt auch in der Einrichtung und der japanischen Arbeitsmentalität wider und wird auch als solche kommuniziert. Der Gastronom ist der Auffassung, dass man über Authentizität nur sprechen kann, wenn man auch das entsprechende kulturelle Verständnis einbringt. Das Makotoya lockt viele japanische Kunden und Ramen-Liebhaber an, deren Feedback auch als wichtigster Marker für die Authentizität und Qualität des Angebotes wahrgenommen wird. Laut Alexander Zhan-Yang sind die veganen Ramen sehr beliebt und rangieren in der Regel auf Platz zwei bis drei der meistbestellten Speisen, japanische Gäste hätten diese jedoch noch nie bestellt.

Das Oreno Ramen – Wo Ramen zu Soulfood wird

Justin (Chen) Zimmer und seine japanische Frau Nomoto eröffneten ihre Ramen-Bar in der Lerchenfelder Straße in Wien und erschufen einen Ort, an dem neben einem ausgezeichneten kulinarischen Angebot, auch das Interieur und die musikalische Untermalung gute Laune versprühen. Justin Zimmer hat chinesische Wurzeln, ist durch die Tätigkeit der Eltern mit der Gastronomie aufgewachsen und hat bereits in mehreren Restaurants wie bspw. dem Karma Ramen oder der Mochi Ramen-Bar seine Küchenerfahrung gesammelt. Er ist mit chinesischer Nudelsuppe aufgewachsen und reist mit seiner Frau oft nach Japan, wo er schon in den Genuss unzähliger Ramen kam.

Festliche Grüße richtete Justin Zimmer gemeinsam mit Hündin Klara aus, die als Teil der Familie ein fester Bestandteil des Oreno Ramen ist. ©Oreno Ramen

Er ist überzeugt von dem Gericht und begeistert von der geschmacklichen Komplexität der japanischen Ramen. Als Asiate war ihm das Angebot in Wien zu stark europäisiert, und so war es ihm ein Bedürfnis, den asiatischen Geschmack zu vermitteln und authentische Ramen nach Wien zu bringen. Justin Zimmer ist der Auffassung, dass Asiaten einen besseren Zugang zum Gericht haben und Europäern der intuitive Umgang mit den Zutaten fehle. Inzwischen ist sein Zugang zum Gericht Ramen jedoch stärker durch die veränderten Ernährungsbedürfnisse seiner Kunden geprägt und geht mehr in Richtung Fusionsküche.

Seit Anfang des Jahres gibt es im Oreno Ramen auch ein veganes Tonkotsu Ramen mit Pilzen, Spinat, Frühlingszwiebel, Nori, Sesam, knusprig frittiertem Lotus und Schnittlauch-Öl.

Für ihn sind Ramen vollends japanisch, was er vor allem mit dem hohen Grad der Weiterentwicklung des Gerichtes in Japan begründet. Er begegnet der japanischen Küche mit Respekt und betrachtet authentisch japanische Ramen als Basis für seine Fusionsküche, begreift Ramen jedoch auch als vielfältiges Regionalgericht mit Freiraum für neue Varianten.

„Es ist genau wie es die Japaner machen, sie haben die chinesische Nudelsuppe genommen und weiterentwickelt, ohne diese wichtige Basis zu verlieren. […] Und das respektiere ich extrem an den Japanern, weil sie die Wurzeln respektieren, dort wo sie herkommen. […] ich nehme jetzt das Ramen der Japaner […] das ist für mich jetzt die Basis, die Wurzel, mit diesem Respekt muss ich sie weiterentwickeln. Das heißt es darf auch vegetarisch sein, es darf auch vegan sein, es ist ein offener Weg […] es ist noch viel Freiraum wo man sich noch weiterentwickeln kann.“ (Interview mit Justin Zimmer, durchgeführt von der Autorin, 03. August 2022, Wien).

Das vegane Angebot versteht er als Anpassung an den europäischen Markt und als Chance sich von Mitbewerbern abzuheben. Justin Zimmer geht davon aus, dass man mit rein europäischen Zutaten nicht authentisch japanisch kochen kann. Bei der Entwicklung neuer Rezepte für vegane Varianten möchte er dementsprechend so authentisch wie möglich bleiben und setzt auch hierbei auf die geschmacksbestimmenden japanischen Zutaten. Trotz allem geht er davon aus, dass das, was als authentisch wahrgenommen wird, sich von Person zu Person unterscheidet. Seiner Meinung nach ist auch das persönliche Wissen um das Gericht und die kulinarische Erfahrung in Japan ausschlaggebend für die Beurteilung von Authentizität in Bezug zu Ramen.

Den Veganismus sieht er als europäisches Phänomen, ist jedoch der Meinung, dass die vegetarische bzw. vegane Ernährungsweise die Zukunft ist. Als Vater hat er diesbezüglich einen sehr emotionalen Zugang und denkt dabei vor allem an die kommenden Generationen. Zudem ist er durch seine Kundschaft mit unterschiedlichen Ernährungsweisen in Kontakt gekommen und hat auf Empfehlung ebendieser auch schon Details bei Gerichten angepasst bzw. abgeänderte Varianten bestehender Gerichte in die Speisekarte aufgenommen. Feedback wird grundsätzlich offen aufgenommen, Anpassungen jedoch nur umgesetzt, wenn diese zum Konzept des Lokals passen. Mit seinem Angebot reagiert Justin Zimmer auch auf die wachsende Anzahl an Flexitariern innerhalb seiner Kundschaft und befürwortet diese Entwicklung als positiv für Mensch und Umwelt.

Das Oreno Ramen steht im Ruf, das beste vegane Ramen der Stadt anzubieten und laut Justin Zimmer, ist das vegane Ramen das meistverkaufte Gericht auf der Speisekarte. Neben europäischen Gästen, kommen auch viele moderne Japaner die offen für Neues sind. In seiner Ramen-Bar legt Justin Zimmer viel Wert auf ein positives Miteinander, gute Musik, ein gutes Arbeitsklima und ein harmonisches Team und so besuchen Kunden sein Restaurant nicht nur wegen des Essens, sondern auch wegen der guten Atmosphäre.

Authentizität in unterschiedlichen Ausprägungen

In der Wiener Ramen-Szene hängt die Authentizität der Speisen sehr stark vom kulturellen und persönlichen Hintergrund der Gastronom*innen ab. Während für Maximilian Hauf als Europäer der Faktor Authentizität nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist dieser für Alexander Zhan-Yang und Justin Zimmer als Asiaten von großer Bedeutung. Das Geschmacksprofil der Speisen basiert bei Maximilian Hauf auf den individuellen Erfahrungen und Erinnerungen, Alexander Zhan-Yang legitimiert sein Angebot über den japanischen Franchisegeber und Justin Zimmer über seine regelmäßigen kulinarischen Reisen nach Japan. Betrachtet man die Handhabung der veganen Ernährungsweise der Gastronom*innen, so lassen sich zwei unterschiedliche Strategien identifizieren. Zum einen ein integrativer Ansatz der die veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen in das Restaurant-Konzept als Ganzes aufnimmt und zum anderen ein Ansatz, welcher ebendiese als von dem restlichen Angebot getrennt betrachtet.

Während man im MAKA Ramen und im Oreno Ramen vegane Gerichte aus Überzeugung in das Angebot integriert hat, wird im Makotoya ein solches zwar angeboten, um auch Personen, die diese Werte vertreten willkommen heißen zu können, das vegane Angebot wird jedoch getrennt von dem Gesamtkonzept des Restaurants betrachtet.

Gegenüberstellung der drei Ramen-Bars im Umgang mit der veganen Ernährungsweise und dessen konzeptionelle Einbindung im eigenen Restaurant.

Gastronomische Talente in allen Kategorien

Der konzeptionelle Rahmen für die Kategorisierung von Authentizität bezieht sich bei der Berliner Japanologin Cornelia Reiher überwiegend auf die Beziehung japanischer Gastronom*innen im Umgang mit der japanischen Küche in Europa. Ihr Modell eignet sich grundlegend aber auch für die Befragung von Personen nicht japanischer Nationalität. In Wien hat sich jedoch gezeigt, dass sich eine stärkere Gewichtung der kulturellen Identität der Befragten empfiehlt, da ebendiese die Auffassung der Gastronom*innen, was denn nun Authentizität zu bedeuten hat, vermehrt zu beeinflussen scheint und Authentizität somit zur Verhandlungssache wird. Zudem zeigt sich, dass Gastronom*innen in unterschiedlicher Gewichtung auch mehreren Kategorien zuordenbar sind.

Angesichts der Erhebung zum MAKA Ramen lässt sich Maximilian Hauf eindeutig der Kategorie personal zuordnen, mit Tendenz in Richtung fusion, was vor allem auf die große Bereitschaft, als Koch im veganen bzw. vegetarischen Bereich zu experimentieren, zurückzuführen ist. Alexander Zhan-Yang lässt sich der Kategorie as a profession zuordnen, auch wenn er selbst vorwiegend im Management tätig ist. Er nimmt die japanische Küche sehr ernst und hat hohe Ansprüche an die Qualität und Authentizität seines Angebotes. Marktanpassungen und der USP der Authentizität rücken ihn laut Reiher jedoch auch in die Nähe der Kategorie fusion. Bezüglich des Oreno Ramen lässt sich Justin Zimmer den Kategorien personal und fusion zuordnen. Er legt viel Wert auf ein authentisches Geschmackserlebnis, geht nun aber stärker auf die veränderten Ernährungsbedürfnisse seiner Kunden ein. Das Bedürfnis sich weiterzuentwickeln und trotzdem authentische vegane Ramen anzubieten ist bei Justin Zimmer am stärksten ausgeprägt.

Persönliches Engagement als Motor für Veränderung

Es lässt sich durchaus sagen, dass vegane Alternativen für die Wiener Ramen-Szene nicht nur wirtschaftlich von Bedeutung sind, sondern auch für ein verändertes Verständnis von authentisch japanischen Speisen eine Rolle spielen. Auch der Aspekt des Umweltschutzes und der Beitrag des Veganismus zu einer klimafreundlichen Ernährung wird von den Gastronom*innen großteils anerkannt und das Bewusstsein, dass das eigene Dafürhalten einen Einfluss auf die positive Wahrnehmung dieses Konzeptes nimmt, ist trotz der teils kritischen Haltung gegenüber dem Veganismus als Lifestyle-Trend durchaus vorhanden. Die Beurteilung von Authentizität im Zusammenhang mit der veganen Ernährungsweise ist somit stark über den persönlichen Zugang der Gastronom*innen geprägt. Tendenziell lässt sich sagen, dass die kulturelle Verortung der Gastronom*innen in Österreich bzw. im hiesigen Markt und das persönliche Engagement im Bezug zum Veganismus die stärksten Faktoren sind, wenn es um die Bereitschaft geht, im eigenen Restaurant vegane Alternativen anzubieten. Ein vielfältiges Angebot ist in Wien aber auf jeden Fall garantiert und wer sich gerne selbst von den Kreationen der hiesigen Ramen-Szene überzeugen möchte, wird sichtlich mehr als nur eine Gelegenheit dafür finden – es ist für jeden etwas dabei.

Pressetext (verfasst im November 2022):

Ramen ist eines der beliebtesten Gerichte der japanischen Küche und wird in unzähligen Varianten angeboten. Die Nudelsuppe besteht aus drei Komponenten, den Nudeln (men), der Suppenbrühe (shiru) und der Würzsoße (tare). Sie fand ihren Weg über chinesische Einwanderer nach Japan, die als Köche in Restaurants der Hafenstadt Yokohama arbeiteten und die wachsende internationale Klientel bedienten. Dieser Umstand lässt sich bis in die 1880er Jahre zurückverfolgen, wobei die Assimilierung des Gerichtes in den 1910er Jahren begann und japanische Ramen-Varianten hervorbrachte, die bis dahin nicht verwendete Zutaten nutzten. In Anbetracht dieser besonderen Historie ist das Gericht in höchstem Maße durch Appropriation und Mobilität geprägt. Die Anpassung ethnischer Landesküchen an den Geschmack lokaler Kunden ist ein langjähriges Phänomen, das rund um den Globus zu beobachten ist und das Konzept der Authentizität spielt hierbei eine wichtige Rolle. Ramen ist ein traditionell fleischhaltiges Gericht, das jedoch zunehmend ihr vegetarisches oder veganes Pendant findet. In Österreich veranlassen die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums immer mehr Menschen dazu sich flexitarisch, vegetarisch oder vegan zu ernähren und den Fleischkonsum so weit wie möglich zu reduzieren. Diese Entwicklung verändert das gastronomische Angebot und macht auch vor der japanischen Küche nicht halt.

Vegane Ramen-Varianten dienen dabei nicht nur als Träger von persönlichen Werten und Idealen, sondern auch als Ausdruck der kulturellen Identität seiner Produzent*innen. Dabei wird kulinarische Authentizität von den Gastronom*innen nicht nur als ökonomischer Marker konstruiert, sondern hat auch eine emotionale Ebene, die sowohl subjektive als auch objektivierte Elemente beinhalten kann und auf unterschiedliche Weise die Vorstellungen, Standards und Prioritäten der Gastronom*innen in Bezug auf die japanische Küche beeinflusst. Nach einem Modell der Berliner Japanologin Cornelia Reiher lassen sich die Gastronom*innen anhand dieser Faktoren in die drei Kategorien personal, fusion und as a profession zuordnen. In der Wiener Ramen-Szene lassen sich so zwei unterschiedliche Strategien zur Handhabung der veganen Ernährungsweise identifizieren. Zum einen ein integrativer Ansatz, der die veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen in das Restaurant-Konzept als Ganzes aufnimmt und zum anderen ein Ansatz, welcher ebendiese als von dem restlichen Angebot getrennt betrachtet.

Da in allen untersuchten Ramen-Bars vegane Alternativen angeboten werden, kann man diese Entwicklung als lokale Anpassung der japanischen Küche in der Ramen-Szene Wiens betrachten. Diese Marktanpassung hat in Wien eine ungeahnte Vielfalt veganer Ramen-Varianten hervorgebracht, die je nach Kategorie über den persönlichen Geschmack des Koches und seines Teams oder über original japanische Rezepturen legitimiert werden. Auf diese Weise wandelt sich die Wahrnehmung dessen, was in Bezug zu veganen Alternativen als authentisch japanisch betrachtet wird. Trotz der wachsenden Bedeutung der veganen Bewegung in Japan, scheint die vegane Ernährungsweise von den Befragten jedoch als westlicher Trend wahrgenommen zu werden. Der offene Umgang der Gastronom*innen mit dem Konzept des Veganismus lässt jedoch darauf schließen, dass die vegane Ernährungsweise die Wiener-Szene nachhaltig beeinflusst, auch wenn unter den Gastronom*innen kein Konsens über dessen Beitrag zum Umweltschutz bzw. einer klimafreundlichen Ernährung besteht.

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