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Partizipative Projekte aus dem Bereich der Japanologie

Japanologie und Journalismus

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Über das Projekt

Unsere Redaktion besteht aus Studierenden der Japanologie Wien, die im Wintersemester 2022 die Lehrveranstaltung „Japanologie und Journalismus – Medienarbeit für Japanolog*innen“ absolvieren. Hier werden ihre wissenschaftlichen Arbeiten als spannende, journalistische Online-Beiträge präsentiert. Multimediale Inhalte (Audiosequenzen, Grafiken, Videoclips, etc.) sorgen für einen detaillierten und fesselnden Einblick in die heutige japanologische Forschung. So finden der Forschungsprozess und vor allem die Forschungsergebnisse als journalistische Neuinterpretation einen Platz auf dieser Website.

Politik

Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg und der damit einhergehenden Verfassung von 1946 verzichtete die japanische Regierung auf das Recht Krieg zu führen. Das Militär wurde aufgelöst und verlor den fanatisch glorifizierten Stellenwert in der Bevölkerung, die laut den Historikern Maki und Nakamura als eine der militarisiertesten Gesellschaften des frühen 20. Jahrhunderts anzusehen war. Spätestens mit der Niederlage 1945 sowie der neuen, bis heute, gültigen Verfassung, sollte jeglichem Militarismus das Handwerk gelegt werden. Das neue Japan, eine deklariert pazifistische Nation. Doch 70 Jahre später scheint sich einiges verändert zu haben.

Jetpiloten, die alarmbedingt zu ihren Maschinen stürmen, Fallschirmjäger, die sich für ihren Absprung bereitmachen, sowie Raketen, die von einem Kriegsschiff abgefeuert werden – all dies bei lachenden Gesichtern und leuchtenden Kinderaugen. Wen dies verwundert, der muss nur nach Japan schauen; dort gehört ein solches Szenario zum Alltag: Kinder, die sich mit Begeisterung bunten Büchlein widmen, in denen es um Thematiken für Erwachsene geht. Dieser auf den ersten Blick widersprüchliche Anblick wird jedes Jahr aufs Neue vom japanischen Verteidigungsministerium ermöglicht. Unter dem Titel bōeihakushō erscheint seit dem Jahr 2006 eine jährliche Ausgabe des gleichnamigen Manga. [ … ]

Obwohl seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bereits 77 Jahre vergangen sind, haben Japan und Russland bislang noch keinen Friedensvertrag abgeschlossen. Einer der Gründe dafür ist der Territorialstreit zwischen den beiden Ländern um die Kurilen-Inselkette, die sich zwischen der nördlichen Küste Japans und der südlichen Küste Russlands befindet. Im Zuge meiner Forschung habe ich eine Diskursanalyse der Berichterstattung in der Asahi Shinbun (japanische Tageszeitung) über den Territorialstreit um die Kurilen-Inseln, seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine, durchgeführt. Nachdem Russland der Ukraine am 23. Februar 2022 den Krieg erklärte, beschloss Japan sich den USA und der EU anzuschließen und Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Als eine Antwort auf diese Sanktionen verkündete das russische Außenministerium am 21. März 2022, dass die Friedensverhandlungen von diesem Zeitpunkt an angehalten werden. [ … ]

Diskussionen um die US-Militärpräsenz in Japan gibt es seit Beginn der Besatzungszeit gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Verwaltung der Präfektur Okinawa war von 1945 bis 1972 in den Händen der USA. Die Streitfrage um die Verlegung der Marine Corps Air Station Futenma (MCAS Futenma) nach Henoko kam erstmals 1995 auf, und Bürgerbewegungen, die sich dagegen aussprachen, konnten 2009–10, während Yukio Hatoyamas Kandidatur und Amtszeit als Premierminister sogar auf politischen Rückenwind setzen. Den zentralen Konflikt im Videospiel „Yakuza 3“ (im Original 龍が如く3 Ryū ga Gotoku 3), das im März 2009 in Japan veröffentlicht wurde, stellt ebenfalls der Streit um den Bau einer weiteren US-Militärbasis in Okinawa dar.

Katsuren Peninsula and White Beach Naval Facility, scenery in Okinawa, Japan ©Ricardo’s Photography

In der japanlogischen Forschung gibt es eine umfassende Menge an Werken, Journal- sowie Nachrichtenartikel zum Thema US-Militär, Japan und Okinawa. Die Streitpunkte und Diskussionen sind zahlreich, und eine Lösung zu finden scheint schwierig. In digitalen Spielen hingegen sind Okinawa – im Gegensatz etwa zu Tokyo, der anziehenden Großstadt – oder das Problem der amerikanischen Militärstützpunkte kaum ein Handlungsort oder -thema. Hier widme ich mich der sehr realen Debatte um die Futenma Air Station und der angestrebten Verlegung, und dem ähnlichen Handlungsstrang in „Yakuza 3“ mit einem Vergleich. [ … ]

Gesellschaft


Yasai Ramen im Ramen Makotoya. ©Alexander Zhan-Yang

Ramen ohne Fleisch, geht das überhaupt? Die Wiener Ramen-Szene sagt ja und tischt in ganz Wien vegan auf. Die Gastronom*innen arbeiten dabei im Spannungsfeld zwischen traditionellen und veganen Ernährungsweisen und integrieren die veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen in das Restaurant-Konzept als Ganzes, oder betrachten die veganen Ramen-Varianten als getrennt vom restlichen Angebot. Besonders in Bezug zur Authentizität des Gerichtes vertreten sie durchaus emotionale Standpunkte. Was als authentisch japanisch betrachtet werden kann wird somit zur Verhandlungssache.

Ramen ist eines der beliebtesten Gerichte der japanischen Küche und wird in unzähligen Varianten angeboten. Die Nudelsuppe besteht aus drei Komponenten, den Nudeln (men), der Suppenbrühe (shiru) und der Würzsoße (tare) und ist ein traditionell fleischhaltiges Gericht. Die Nudeln werden aus Weizenmehl, Salz und Wasser hergestellt. Letzteres wird in der Regel mit einer alkalischen Lösung (kansui) angereichert was den Nudeln ihre gelbliche Farbe und Textur gibt und ihnen zudem ihre spezielle Elastizität verleiht. Das klingt schon einmal gut und ist ohnehin vegan. Die wahre Herausforderung stellt jedoch die Suppenbrühe dar. [ … ]

Ländliche Orte in Japan sind durch negative Entwicklungen wie hohe Überalterungsraten zunehmend in ihrer Existenz bedroht. Als Gegenmaßnahme inszeniert sich Minamiaso auf der Plattform „YouTube“ als attraktives Reiseziel. Geworben wird hier mit reichhaltigen Naturlandschaften und wohltuendem Wasser, sowie der Ruhe, als Ausgleich zum hektischen Stadtleben. Minamiaso will eine breite, junge Zielgruppe ansprechen, setzt auf Kooperationen mit lokalen Marken und zeigt uns den Charme ländlicher Gebiete auf.

Die in der touristischen Vermarktung zusammenarbeitenden Orte. © Minamiaso Kankō-kyoku

Besonders das ländliche Japan ist von den Folgen des demographischen Wandels stark betroffen. Auch auf der Insel Kyūshū, im Ort Minamiaso, der sich in der Präfektur Kumamoto befindet und im Jahr 2005 durch den Zusammenschluss von drei Gemeinden entstanden ist, können diese Auswirkungen beobachtet werden: In den letzten Jahrzehnten sind hier sowohl die Bevölkerungszahl als auch die Geburtenrate stetig, über dem Landesdurchschnitt zurückgegangen. [ … ]

Tanoshimi ©Mariana Rathbauer

Viele Leute suchen nach dem Sinn des Lebens, nach ihrem persönlichen ikigai. Sie gehen dafür auf lange Reisen um die Welt und in sich selbst. Auch die Wissenschaft beschäftigt schon lange die Frage, was das Leben für Menschen lebenswert macht. In dem sonst von ökonomischen und psychologischen Ansätzen geprägten Feld der Wohlbefindens-Forschung hat sich in den letzten Jahren ein neues Framework zur Erforschung von Wohlbefinden herauskristallisiert, das Ort, Zeit, Kultur und ihr Zusammenspiel als wichtige Faktoren im Wohlbefinden definiert, relational wellbeing. In diesem Kontext habe ich mir die Frage gestellt : „Kann man ikigai (life worth living) im japanischen Kaffeehaus finden?“

Am Rande des 20er Jahre Vergnügungsviertels shinsekai in Osaka, direkt an der Ecke zum Ausgang 3 des Bahnhofs Ebisucho, findet man ein kleines Kaffeehaus namens „Harness“. Aufkleber auf den Fenstern verkünden, dass es sich hier um einen „Tea Room“ handelt und auf der Speise- und Getränkekarte findet sich neben einem uiena kouhi – hier eine Melange mit Schlag, in vielen anderen japanischen Kaffeehäusern ein Einspänner – eine größere Selektion an Sandwiches, die einen eher britischen Eindruck vermitteln. [ … ]

Sprache


©Weekly Shonen Jump 1985

Vielen sind Manga und Anime sicherlich ein Begriff. Weniger bekannt sind zumeist die verschiedenen Sprachstile, die dort verwendet werden. Das hat auch einen guten Grund: Sie sind oftmals kaum übersetzbar und fest in der japanischen Sprachkultur verwurzelt. Diese Sprachstile, die in der Forschung unter dem Begriff Rollensprache (yakuwari-go) zusammengefasst werden, werden aus letzterem Grund von Japaner*innen auch meistens nicht aktiv wahrgenommen. Meine Erfahrung mit Japaner*innen hat gezeigt, dass ein fragender Blick als Antwort kommt, wenn man die Rollensprache anspricht. Um dem auf den Grund zu gehen habe ich mich in meiner Forschung mit den Hintergründen der Rollensprache auseinandergesetzt. Die Antwort liegt in der Geschichte von Anime und Manga und deren Ursprüngen. [ … ]

Religion


Farbholzschnitt, nishiki-e (Papier, Farbe). Tsukioka Yoshitoshi, 1890, aus der Serie Shinkei sanjūroku kaisen (Neue 36 Geister). ©National Diet Library, Tōkyō.

Geister, Dämonen und spirituelle Wesen – im japanischen Volksglauben spielen diese Erscheinungen, welche weitläufig als yōkai bekannt sind, eine wesentliche Rolle. Kitsune-tsuki oder auch Fuchsbesessenheit ist eines von vielen Phänomenen und lässt sich in literarischen Werken bis in das 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Doch wurde dieses Phänomen nicht immer nur als Volksglaube wahrgenommen und sollte später auch mit psychischer Erkrankung in Verbindung gebracht werden.

Auch heute noch haben yōkai (jap. 妖怪) eine hohe Bedeutsamkeit in der Kultur Japans. Besonders gut erkennen lässt sich dies in Werken der japanischen Populärkultur, wie unter anderem Anime und Manga. Die Herkunft verschiedenster yōkai ist häufig mit Legenden verbunden und ihre Anzahl und Vielfältigkeit im japanischen Volksglauben ist ausgesprochen groß. Auch die Verbindung mit Religion ist nicht ungewöhnlich, im Gegenteil, häufig sogar eng mit deren Ursprung verknüpft. Durch die Interpretation ihrer Geschichten, traditionellen Überlieferungen und künstlerischen Darstellungen können wichtige Verknüpfungen zur Kultur Japans in bestimmten Perioden hergeleitet werden.

Einer von vielen yōkai sind kitsune (jap. 狐), was eigentlich Fuchs bedeutet, aber in diesem bestimmten Zusammenhang vielmehr mit Fuchsgeistern übersetzt werden kann. Diese Fuchsgeister sind häufig dafür bekannt, Besitz von Menschen zu ergreifen. Dieses Phänomen wird kitsune–tsuki genannt. [ … ]

Sport

Der Skisport bringt immer wieder herausragende Persönlichkeiten hervor, wie etwa die zwei japanischen Skispringer Kasai Noriaki und Kobayashi Ryōyū. Kasai hatte in den 80er Jahren sein Weltcup Debüt. Das war eine Zeit, in der das Skispringen noch ganz anders war. Auch heute noch trainiert der Publikumsliebling, unter anderem mit Kobayashi. Dieser zeichnet sich vor allem durch seine sportlichen Erfolge aus. Mit Kobayashi, der seit 2015 im Weltcup springt, steht dem japanischen Skisprungsport eine vielversprechende Zukunft bevor. Kasais große Beliebtheit konnte ich im Zuge einer wissenschaftlichen Analyse von Artikeln verschiedenster Nachrichtenplattformen ermitteln. Ein weiterer Aspekt, der sich nebenbei abzeichnete, ist, dass Kobayashi zukünftig im Mittelpunkt des Sportes sowie den Medien stehen könnte. [ … ]


Baseball-Trainer Tesshin Kataoka ©Yūji Terajima, Kodansha,
[Ace of Diamond] Production Committee, TV TOKYO

Populärkultur ist kein Kinderkram, sondern ein Spiegel der Gesellschaft. Anime, Manga und Videospiele reflektieren soziokulturelle Aspekte und Diskurse. Setzt man sich also mit der Darstellung und den dahinterliegenden Konzepten auseinander, gibt es in Anime so einiges zu entdecken. Ich habe die Trainer des Baseball-Anime Ace of the Diamond genau unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass Aufopferungsbereitschaft, die ja den Samurai nachgesagt wird, immer noch hoch im Kurs steht. Bushido, Baseball und das japanische Schulsportsystem – sie alle kommen im ‚Schmelztiegel‘ Sportanime zusammen und verraten dabei so einiges über die japanische Gesellschaft. [ … ]

Gesundheit


Coverbild des Anime „18if“ ©GONZO

Essstörungen gelten als eine der gravierendsten mentalen Erkrankungen mit den höchsten Sterberaten. Besonders die Bulimie („Ess-Brech-Sucht“) birgt große Gefahren. Betroffene sind vor allem junge Frauen. Der Anime „18if“ versucht möglichst genau widerzuspiegeln, wie Bulimie für Erkrankte eine mentale und körperliche Belastung darstellt. So wird die Figur Airi das Hauptobjekt meiner Forschung und soll Parallelen zur realen Problematik in der japanischen Gesellschaft aufzeigen.

Die Bulimie (jap.: shinkeisei taishokushō) ist ein Wegbereiter für ein Dasein voller Angst, Depressionen und sozialer Abstinenz. Erkrankte wissen oftmals keinen Ausweg. Bulimie gilt nach wie vor als Tabuthema in Japan und kommt in der japanischen Populärkultur daher kaum vor. Doch es gibt auch Ausnahmen: Wie ich in meiner wissenschaftlichen Arbeit aufzeigen konnte, kommt das Thema im japanischen Anime „18if“ des Animationsstudios GONZO vor. Dieser nimmt sich vieler, verschiedenster gesellschaftlicher Problematiken an (Depression, Mobbing, etc.) und visualisiert diese jeweils in einer Episode. Mittels Filmanalyse wurden zunächst zwei aussagekräftige Szenen objektiv festgehalten. Dann habe ich durch eine tiefgründige Analyse versucht, versteckte Botschaften zu entdecken. [ … ]

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